(english translation below)
„Hei, so ein Stromer, alleweltdurchreisend,
durchwanderwohnend, wie die Schwalbe kreisend,
voll seelgen Schwungs, mit Welle, Wolk und Thau,
fallwallend durch und durch ins ewge Blau…“
(Ausschnitt aus einem Gedicht Gusto Gräsers)
Gusto Gräser war immer in Bewegung, als Wanderpoet, Tänzer, Naturprophet, Pazifist, Grafiker und Maler, sowie als Mitbegründer von Monte Verità, der Künstler*innen-Kommune in Ascona um 1900. Er wurde 1879 in Kronstadt in Siebenbürgen geboren und hat München mit Unterbrechungen mehrmals als Lebensort auf Zeit für sich gewählt, so auch bis zu seinem Tod den Stadtteil München-Freimann. Die Künstler*innenfigur Gusto Gräser bildet ein wichtigen Bezugspunkt für den Fahrenden Raum, nicht zuletzt mit der Ausrufung eines „Performativen Gusto Gräser Kinder-Archiv“ als übergreifenden Programmpunkt und Recherchefeld 2017-2019.

Im Leben Gräsers als wandernder Poet ergeben sich Bezüge für die performativen und situativen Praktiken des Fahrenden Raums: Alles künstlerische Handeln vollzieht sich im Außenraum Freimanns – in oder rund um die mobile künstlerische Architektur oder fahrend unterwegs im Stadtteil und so im Spannungsfeld des öffentlichen Handelns. Der im Leben Gräsers herausragende Lebensaspekt des Herumstreifens steht im Spannungsverhältnis zur Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen. Heute verengen sich ihre Erlebnisräume zusehends auf den physisch erfahrbaren Raum der Schule und einem dort oftmals vorgelebten und abverlangten Leistungsparadigma. Dem konventionellen Schulsystem wird mit dem Ausbau der Ganztagsschule der Hoheitsanspruch auf Bildungsprozesse und Zeitkontingente der Kinder und Jugendlichen zugesprochen. Der Fahrende Raum, welcher sich mit seinem Programm im Zusammenschluss von künstlerischer Produktion und vermittlerischen Fragestellungen auf die Methodiken der Aktionspädagogik bezieht, verortet sich in einem außerschulischen, freien pädagogischen Feld. So beschäftigt ihn auch die Frage, inwieweit sich Kindern und Jugendlichen heute noch die Gelegenheit bietet, sich eigene Räume außerhalb denen ihnen zugewiesenen Orten zu erschließen? Wie können Pädagog*innen und Künstler*innen darin sinnvoll teilhaben, ihnen dies zu ermöglichen oder umgekehrt der Blick für den öffentlich städtischen Raum durch das Handeln von Kindern und Jugendlichen geschärft werden?
Wie viele Zeitgenoss*innen und Künstler*innen im Zusammenhang der Reformbewegung, will Gusto Gräser aus den Zwängen bürgerlichen Lebens und seiner Klassenstruktur aussteigen. Er wendet sich gegen eine industrielle Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur und ist auf der Suche nach neuen Naturverhältnissen. Gräser verbindet dies mit einer umfassenden Kritik an der „Zuvielisation“ und dem preußischen Disziplinierungsstaat seiner Zeit. Dabei lehnt er einen festen Wohnsitz sowie die staatliche Festschreibung auf eine nationale Zugehörigkeit strikt ab. Auch verweigert er den Militärdienst. Dies bringt ihm immer wieder Ärger mit der Polizei. Er wird mehrfach verhaftet und aus Deutschland ausgewiesen1, kehrt aber durch den Einsatz anderer Literaten (wie Thomas Mann) wieder zurück2. 1940 wird Gräser von der Gestapo bedroht und später von den Nationalsozialisten verhaftet, die ihm ein Schreibverbot erteilen. Viele seiner Weggefährt*innen werden während des Nationalsozialistischen Regimes in Konzentrationslager deportiert. Er flieht nach München Freimann, wo er ab 1942 in Dachkammern unterkommt.3


Gusto Gräser kann heute als Künstler-Künstler bezeichnet werden, d.h. dass er vor allem von anderen Künstler*innen rezipiert wurde und als wichtige Inspirations- bzw Referenzfigur innerhalb deren Werk in Erscheinung tritt (vgl. Hermann Hesse4, Gerhart Hauptmann etc.)5. So hat er hat bislang keine umfassende institutionelle Besprechung erfahren. Obgleich sein Leben und Schaffen im Zusammenhang mit anderen wichtigen Vertreter*innen um die Münchner Bohème und Monte Verità gesehen werden muss. Und es wiederum Aufschlüsse über deren Wirken und künstlerischen Impulse gibt. Vielleicht ist es daher gerade spannend die Person Gräsers durch eine künstlerisch-performative Aneignung von Kindern und Jugendlichen aus Freimann zu besprechen und künstlerisch zu re-kontextualisieren – dem Ort, wo er die letzten 16 Jahre seines Lebens verbrachte und wo auch der Fahrende Raum sein künstlerisches Handeln verortet.
Divergente Lebensentwürfe
mit Kindern und Jugendlichen performativ
erforschen
Eine Ausgangsidee des Performativen Gusto Gräser Kinder-Archivs ist es, die Möglichkeiten einer Geschichtsschreibung von unten mit künstlerischen Mitteln und in der Verhandlung informellen Wissens auszuloten. Mit Gusto Gräser wird also eine Figur von Kindern und Jugendlichen künstlerisch befragt, dessen Lebenswerk durch Institutionen kaum gesichert ist. Nur durch das unermüdliche Engagement einzelner Archivar*innen wie Brigitte Fingerle-Trischler, die Gräser noch als Kind erlebt hat, wurden Teile seiner Werke, die Freimann als Handlungsraum betreffen, im Stadtteilarchiv Freimann in der Mohrvilla zusammen getragen6. Ein weiterer Teil befindet sich im Münchner Literaturarchiv Monacensia, sowie bei Hermann Müller, der sich im Eigenauftrag um die Aufarbeitung und Sicherung des Werks Gusto Gräsers bemüht.
Für Pädagog*innen und Künstler*innen stellt sich die Frage, welches Wissen vermittlungswürdig ist, zur Verhandlung gestellt, besprochen werden kann. Wer entscheidet darüber wie Wissen sortiert wird? Wie entsteht eine Sammlung bis hin zum Kanon? Durch welche Ermächtigungsstrategien können mit Kindern und Jugendlichen Lebensrealitäten verhandelt werden, die nicht gängigen Mustern entsprechen und daher Gefahr laufen von der Kunstgeschichte marginalisiert behandelt zu werden?
Performative Praktiken eröffnen hier Möglichkeitsraum, divergente Lebensentwürfe und Fragen (z.B. warum wollte Gräser nichts besitzen und wie äußerte sich dies auch in der Art wie er sich kleidete? Warum wollte er kein Geld? Warum hatte er keinen festen Wohnsitz?) zu besprechen. Durch schnelle Rollenübernahmen und fiktionales spontanes Handeln aus dem Repertoire eigener Erfahrungen, werden Lebensbilder und Realitäten diskutiert und eigene bildnerische Setzungen darin gefunden: In Aktionen, künstlerischen Interventionen und Spielstationen, wie zum Beispiel mit dem „fahrenden lebenden Archiv” mit Schreibwerkstatt, dem Aktionsraum „VagabundInnen Treff“, der mit dem eingeladenen Künstler Jonas Beutlhauser realisiert wurde oder dem „VagabundInnen Landtag”, einem Aktionstag mit Lesungen und Performances. Bei letzterem war auch eine Flugschrift Gusto Gräsers aus dem Mohr-Villa Stadtteil Archiv Freimann als Faksimile in Form von Stoffbannern an der Architektur des Fahrenden Raums zu sehen. Diese Schrift, die Gräser einst vom Münchner Rathausturm fliegen ließ, wurde zum ersten Mal seit 1945 wieder öffentlich gezeigt. Innerhalb der aktionspädagogischen Arbeit im Fahrenden Raum bedingen sich die künstlerischen Produktionen und prozesshaften Arbeitsformen der eingeladenen Künstler*innen und Kinder und Jugendlichen gegenseitig. Trotzdem wird den künstlerischen Setzungen punktuell ein eigener präziser Raum, der zu ihrer Verhandlung notwendig ist, zugestanden.

Lange vor dem heute gängigen Gedanken des Self-Publishings – Drucksachen in Eigenproduktion als eigene Räume künstlerisch zu bespielen und selbst zu distribuieren – hat Gusto Gräser seine Dichtungen, Reime und Sinnsprüche in Form von grafisch selbstgestalteten Flugschriften, Wortbildern und Kunstkarten wiedergegeben und en passant verteilt. Gräsers Dichtungen und Wortbilder bestechen vor allem durch seine Wortneuschöpfungen, mit denen er seine Umwelt kritisch, aber auch humorvoll kommentierte. Gräsers oft situativ eingesetzte Sprache des Wanderpoeten zeigt dabei Performanz und Wortwitz, die in der textlich-künstlerischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen interessante Anknüpfungspunkte bieten – gerade das schnelle Dichten und Schreiben ohne Verbesserungsdiktat, einen Schreibraum mit Fehlern, zulassen zu können und so eine Eigensprachlichkeit von Kindern und Jugendlichen innerhalb eines automatischen Schreibens oder stream of conciousness zu unterstützen.
Mit dem Fahrenden Archiv-
und Werkstattwagen umherstreifen7 „in der
Rappelzappel-Stolperstotterstadt“
Der Fahrende Archiv- und Werkstattwagen gibt die Möglichkeit für eine situative Gestaltung und Distribution von Flugschriften und Zeitungen im Stadtteil. Ähnlich des Herumstreifens Gräsers durch Freimann machen wir uns mit dem Wagen auf zu Grünanlagen und Spielplätzen, wobei nie klar ist, wen wir treffen. Das Freimann Gräsers war geprägt von der Idee einer Gartenstadt. Gräser, so wird erzählt, saß früher wohl des öfteren auf einem alten Baum auf dem Grohplatz und las oder schrieb seine Flugblätter und Gedichte. Heute prägen u.a. Industrie- und Baumarktbrachen den Stadteil sowie staatlich zugewiesene Orte für geflüchtete Menschen und Menschen ohne Wohnung, die oftmals in der Logik von Lager-, Militär- und Behelfsarchitekturen stehen.

Der Handwagen ist auf unseren Touren ausgestattet mit kopierten Archivmaterialien, Fotos und Schriften aus dem Stadtteilarchiv Freimann, die über das Werk und Leben Gräsers berichten und ergänzt werden können durch eigene Dichtungen, Reime sowie Produktionen der Kinder, Jugendlichen und eingeladenen Künstler*innen. Dabei bilden diese wiederum als wachsendes Archiv für andere Kinder und Jugendliche Anschauungsmaterial und Ausgangspunkt für eigene Geschichten und künstlerische Interpretationen. Weitere Untensilien neben einer Grundausstattung aus Schere, Kleber und Stift, sind ein mobiler Tapeziertisch, ein mobiler Drucker mit Akku, Fotoapparate sowie ein Stempelsortiment mit Adaptionen der Bucheckernschrift von Gusto Gräser. Diese hat er 1930 angelehnt an die Formengebungen von Bucheckern als Ausdrucksschrift entwickelt, aber nie produzieren lassen können. Ebenso mit dabei als Inszenierung: selbstgenähte lange Hemden, die zugleich als Malerhemden verwendet, aber auch bemalt werden können. Eingesetzt als bildnerische Verfremdungseffekte und Inszenierungen, die die auf das Einfachste reduzierte Kleidung der Wanderpoet*innen und Lebensreformer*innen (in Form von nachthemdartigen Gewändern, die alle einem gleichen Schnitt folgten und den Körper aus den Kleidungszwängen des Preußisch-Wilhelminischen Zeitgeists befreien sollten) zitieren.

Jonas Beutlhausers Überlegungen zum Vagabundieren als künstlerischer Haltung und Form hat er in dem gemeinsam entwickelten Aktionsraum „VagabundInnen Treff“ durch ein komplexes Aktionssetting seiner Spielskulpturen einfließen lassen: So hat er z.B. das Schreiben im Wandern und Umherstreifen mit seinen Gehschreiben aufgegriffen – Apparaturen mit Drehkurbeln und Papierrollen, die die Kinder und Jugendlichen wie Bauchläden umhängen können und zu einem automatischen Schreiben im Gehen anregen. Es ist eine entschleunigende Tätigkeit, die aber die gleichzeitige Ausführung von zwei Handlungen voraussetzt. Vier Hühner, und ihre Art und Weise auf der Postwiese zu stromern, waren den Kindern und Jugendlichen darin Gefährtinnen und pädagogische Partner*innen zugleich. Mit einem lebensgroßen Drehrad, dem Wortfeuerzeug, bezugnehmend auf eine nicht veröffentlichte Publikation von Gusto Gräser, konnten die Kinder ausgehend von den Wortneuschöpfungen Gräsers eigene Wörter erfinden und reimen, sowie die Geheimsprachen erfinden.
Der Körper als Ausdrucksmittel – ein anderer
Aspekt von Gusto Gräsers Werk, aber auch Mittel
der Aktionspädagogik
„… Eine mattgrün beleuchtete Bühne. Offen. Leer. Ohne alle Kulissen. Ein neunzehntel nackter, wildbebarteter und wildgelockter Mann, so um die Vierzig, der an die Rampe trat und die Zuschauer bat, sie möchten im Chor halblaut „Hummel! Hummel!“ singen. Denn er brauche zwar keine Musik, aber diese Tonkulisse, um ihnen jetzt die wahre Lebensfreude vorzutanzen. Es geschah. Und ganz außerhalb aller Tanzregeln und Tanzkultur sprang, wand, drehte sich und explodierte in einem körperlichen Überschwang dieser Mensch, den in der laubgrünen Dämmerung der Bühne niemand erkannte. Nein, er brauchte keine fremde Melodie.8 Er bedurfte nur dieses unregelmäßigen Tongewoges …“

So wird der Hummeltanz, den Gräser wohl im Englischen Garten aufgeführt hat, in Annie Francé-Harrars Buch „So war`s um Neunzehnhundert: Mein Fin de siècle“ beschrieben. Im Aktionsraum nahmen wir die Erzählung des Hummeltanzes Gräsers auf und erfanden zusammen ein eigenes Narrativ. Gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen improvisierten wir in Gesang und situativem Tanz eine eigene Form des Hummeltanzes. Er wurde zu einer Art wiederkehrendem spielerischen Motiv, das die Kinder in unterschiedlichen Ableitungen situativ selbst zitierten oder mit uns erwachsenen Künstler*innen und Pädagog*innen gemeinsam aufführten, nicht zuletzt spontan beim „VagabundInnen Landtag.”
Die Textstelle erscheint um so interessanter, wenn man weiß, dass wichtige Vertreter*innen des Ausdruckstanzes wie Mary Wigman und Isodora Duncan Teil der Künstler*innengemeinschaft Monte Veritas waren. Der Berg gilt heute als Ursprungsort des Ausdruckstanzes. Gräsers Denken und Schaffen muss im Lichte dieser künstlerischen Zusammenhänge betrachtet werden, die den Körper nicht ausnahmen, sondern ihn befreien wollten von den Verkümmerungen und Verkrampfungen der Industrialisierung und den Zwängen des Preußischen Obrigkeitsstaats – und die an „einen ungebundenen Ausdruck des Körpers in der Natur” glaubten.

In der performativen Aneignung werden hier – am Beispiel Gräsers – Lebensentwürfe als Konstruktion von Ereignissen und Entscheidungen betrachtet. Performatives Handeln schafft eine schnelle Einstiegsmöglichkeit, da es auf situative Bezugnahme setzt und prozesshafte ästhetische Setzungen zulässt, die nicht auf richtig oder falsch abzielen, sondern Brüche zu gängigen Bildern aus zeitgenössischer Sicht unterstützt. Dies setzt voraus, dass künstlerisches Handeln auch als pädagogische Form erachtet wird: Entgegen eines neutralen pädagogischen Orts, soll ein Aktionsrahmen eröffnet werden, der Raum für eigene Ausdrucksmöglichkeiten gibt. Der Verzicht auf materiellen Überfluss und die Lossagung von industriellen Gütern verbunden mit einem “zurück zur Natur“ erscheint damals wie heute innerhalb eines städtischen Kontexts zunächst als eine Konstruktion. Bei Gusto Gräser hat sie aber eine politische Qualität, und muss bei der Vermittlung des Materials mitgedacht werden.
Gleichzeitig muss das vorhandene Archivmaterial einer kritischen, zeitgenössischen Lesart unterzogen und auf Problematiken hingewiesen werden. Es ist eine Geschichte, die vor allem Männer zu Protagonisten auserwählt hat und deren Künstlerbilder des Wanderers und später „Slackers“ insbesondere von männlichen Vertretern als Projektionsfläche beansprucht worden sind. Trotzdem maße ich mir an, mir diese Zusammenhänge als Pädagogin und Künstlerin anzueignen und Gusto Gräser als pädagogisches Gegenüber aus Künstler*innen-Perspektive zu betrachten.
Bei Herrmann Müller stoße ich auf einen Bezug zu Hauptmanns Till Eulenspiegel – dem tragischen Komödianten, Wahrheitssuchenden und (Über)Landfahrer. Demnach hat Hauptmann Gusto Gräser wohl auch in seiner Höhle besucht und dessen Lebensentwurf im Motiv der „Gaukelfuhren“, wie die Erzählung wohl ursprünglich heißen sollte, aufgenommen. Auch „seine (Till Eulenspiegels) abenteuerliche Fahrt endet im Tessin, im Maggiatal, unterhalb von Gräsers Felsgrotte.“9 So spannt sich ein interessanter Bogen zur pädagogisch-künstlerischen Arbeit zum Gräser-Werk: Hauptmann bringt damit noch den Aspekt der tragischen Komödiant*in und Närrin aber auch der/des Widerständigen innerhalb der Figur der Wanderpoet*innen ins Spiel.
Wie können durch gemeinsames, gelebtes Erzählen, Fiktionalisieren und performatives Umdeuten neue Möglichkeitsräume und eigene Geschichten entstehen? Es ist ein Aufruf zum (über)Landfahren und Widerständigsein.10 Ein „Seid komisch!“ Neue performative Bilder zu schaffen, die sich der Narrative von Wanderpoet*innen und Närr*innen annehmen.
Literatur
1 Fingerle-Trischler, Brigitte (2010). In: Mohr-Villa Archiv Freimann (Hg.): „aufrichtig und unentwegt geradeaus“, Naturpropheten in Freimann, Gusto Gräser, Bruno Wersig und die Wirkung von Karl Wilhelm Diefenbach. München: Mohr-Villa Freimann.
2 Müller, Hermann (1987). In: Müller, Hermann (Hg.): Gusto Gräser. Aus Leben und Werk. Vaihingen an d. Enz: Melchior. S.141
3 Siehe Eintrag im Autorenlexikon der Bayerischen Staatsbibliothek (Dr. Peter Czoik) auf www.literaturportal-bayern.de
4 (…)
5 Müller, Hermann (1987). In: Müller, Hermann (Hg.): Gusto Gräser. Aus Leben und Werk. Vaihingen an d. Enz Melchior. S.11
6 Siehe Fußnote 1
7 Aus: Gräser, Gusto (1957/58): Sonndonnerdrein!
8 Francé-Harrar, Annie (1962): So war’s um neunzehnhundert. München/Wien: Langen/Müller
9 Vgl. Müller, Herrmann: Die Gaukelfuhren. In: www.gusto-graeser.de/doc/pdf/gusto-graeser.de_20170630_1945-die-gaukelfuhre.pdf
10 Zum widerständigen Potential des Performativen: „Und das Widerständige liegt heute, da Bildung nicht selten instrumentalisiert gedacht wird und vor allem effizient und zielgerichtet auf den Arbeitsmarkt vorbereiten soll, vielleicht mehr denn je gerade in der Prozesshaftigkeit performativer Praxis, dem immerwährenden-Neu-Definieren von Werten und Normen durch das Handeln und der Multiperspektivität.“ Pfeiffer, Malte (2012/2013): Performativität und Kulturelle Bildung. In: www.kubi-online.de/artikel/performativitaet-kulturelle-bildung
ENGLISH TRANSLATION
The Performative Gusto Gräser Children’s Archive
Maximiliane Baumgartner
„Hei, so ein Stromer, alleweltdurchreisend,
durchwanderwohnend, wie die Schwalbe kreisend,
voll seelgen Schwungs, mit Welle, Wolk und Thau,
fallwallend durch und durch ins ewge Blau…“
(excerpt from a poem by Gusto Gräser)
Gusto Gräser was always in motion, as a wandering poet, dancer, “natural prophet,” pacifist, printmaker and painter, a challenger of the authoritarian state, and as cofounder of the Monte Verità artist collective in Ascona circa 1900. He was born in 1879 in Kronstadt, Siebenbürgen. He frequently lived in Munich over the course of his life, with a few interruptions, and resided in the Munich-Freimann district in the years before his death. Gusto Gräser’s artistic persona has been an important point of reference for the Fahrende Raum, not least with the establishment of the Perfor-mative Gusto Gräser Children’s Archive as an interdisciplinary part of the program and field of research from 2017 to 2019.
Gräser’s life as a wandering poet offers parallels for the Fahrende Raum’s performative and situational practices: all artistic activities take place outdoors in Freimann—in and around the mobile artistic architecture or moving through the district, thus within the field of public action. The most conspicuous aspect of Gräser’s life, his Herumstreifen or roaming, contrasts the lived realities of children and teenagers. Today, children’s space of experience is increasingly being restricted to the physically experienceable space of the school as well as the paradigm of achievement demanded and cultivated there. With the expansion of day schools, the conventional school system came to assert a primary claim on the education process of children and teenagers as well as dominate their time. The Fahrende Raum is situated in a free pedagogical field outside of the conventional school system and draws on the methods of actionist pedagogy in tandem with artistic productions and questions of education. It is thus concerned with the question of how much time today’s children still have to explore their own spaces beyond the ones prescribed to them. How can artists and educators meaningfully participate in enabling children and teenagers to do so, or to put it differently how can our perception of so-called public urban space be deepened by the actions of children and teenagers?
Like many artists and contemporaries during the Lebensreform movement, Gusto Gräser sought to depart from the constraints of bourgeois life and its class structure. He opposed the industrial ex-ploitation of humans, animals, and plants, while searching for new and better relationships with nature. Gräser combined this quest with a wide-reaching critique of Zuvielisation [too-much civili-zation] and the Prussian disciplinary state of his time. He thus firmly rejected the idea of a fixed residence as well as the governmental prescription of nationalities. He also refused military service, and this would repeatedly bring him into conflict with the police. He was arrested several times and subsequently deported from Germany1, though he would eventually return through the help of other writers, such as Thomas Mann2. In 1940 Gräser was threatened by the Gestapo and later arrested by the National Socialists, who forbade him from writing. Many of his companions were deported to concentration camps during the National Socialist regime. He fled to Munich-Freimann, where he would live in various attics from 1942 on.3
Today Gusto Gräser could be described as an artist’s artist as his work was primarily received by other artists and would in turn reappear within their works as an important source of inspiration or point of reference—e.g., in the works of Hermann Hesse4 and Gerhart Hauptmann5. Until now, his work is yet to receive any comprehensive institutional appraisal, even though Gräser’s life and work must be seen in relation to other important protagonists of Munich’s bohemian scene as well as the Monte Verità collective and also offers insights into their activities and artistic motivations. For this very reason, it could be exciting to have Gräser’s person artistically re-contextualized and performatively appropriated by children and teenagers from Freimann—the place where he spent the last 16 years of his life, and where the Fahrende Raum’s artistic activities are primarily based.
Performatively Exploring Divergent Visions of Life
with Children and Teenagers.
The point of departure for the Performative Gusto Gräser Children’s Archive was the desire to explore the possibilities for writing a history from below using artistic means while drawing on informal knowledge.
With Gusto Gräser, the children and teenagers investigate a figure whose life work is hardly institutionally preserved. Only as a result of the tireless efforts of some archivists, such as Brigitte Fingerle-Trischler who experienced Gräser in her childhood, have parts of his work related to Freimann as a space of action been compiled in the district archive of Freimann at the Mohr-Villa6. Another part can be found at the Monacensia literature archive in Munich, and yet another with Herman Müller, who has undertaken the processing and preservation of Gusto Gräser’s work on his own initiative.
For artists and educators, the question is which information deserves to be shared, which information can be addressed and debated? Who decides how information should be sorted? How does a collection develop into a canon? Which strategies of empowerment can be used together with children and teenagers to negotiate lived realities that don’t conform to the standard pattern and so run the risk of being marginalized by art history?
Performative practices create spaces of possibility for discussing divergent visions of life: Why didn’t Gusto Gräser want to own anything and how was this expressed in the way he dressed? Why didn’t he want money? Why didn’t he have a fixed residence? By quickly slipping into roles and spontaneously acting out fictional scenes based on their own experiences, the participants can dis-cuss life stories and realities while transforming them into visual scenes—in interventions and play stations like the mobile archive and workshop wagon, the action space “vagabond meeting,” realized in collaboration with the invited artist Jonas Beutlhauser, or the “vagabond convention,” a day of actions with readings and performances. At the latter, a pamphlet of Gusto Gräser’s from the district archive of Freimann at the Mohr-Villa was integrated into the Fahrende Raum’s architecture as fabric banners. The text, which Gräser once cast to the wind from the top of Munich’s town hall, has only been publicly shown again since 1945. Within the Fahrende Raum’s actionist pedagogical work, there is a reciprocal relationship between the artistic productions and processual working methods of the invited artists, children, and teenagers. Nevertheless, the artistic settings are occasionally granted their own precise space, which is necessary for their negotiation.
Long before the contemporary notion of self-publishing was formulated—distributing one’s own printed matter and at the same time regarding it as a space for art—Gusto Gräser reproduced his poems, rhymes, and epigrams, distributing them en passant in the form of self-designed, illustrated flyers, word-pictures, and artist cards. They largely consisted of neologisms that he applied to critically and humorously comment on his environment. Gräser’s often situational use of a language of the wandering poet demonstrates a certain kind of performance and wit that offers interesting star-ting points for textual and artistic work with children and teenagers: in particular, the ability to allow spontaneous poetry without the need to edit, a space of writing with mistakes that supports childrens’ own sense of language within the framework of automatic or stream of consciousness writing.
Roaming around the “Rappelzappel-Stolperstotterstadt”7
with the Fahrende Raum’s Archive and Workshop Wagon
The mobile archive and workshop wagon creates the opportunity to situationally design and distribute flyers and newspapers in the neighborhood. Much like Gräser’s wanderings through Freimann, we’ll embark with the wagon to parks and playgrounds, while it’s never clear who we’ll meet along the way. The Freimann of Gräser’s time was shaped by the idea of a garden city. Gräser, the story goes, would often sit on an old tree at Grohplatz, reading and writing his poems and pamphlets. The wastelands of industry and hardwares alongside state assigned sites for refugees and homeless per-sons now divide the district, often following the logic of camps, the military, and makeshift architecture.
The trolley on our tours is equipped with copies of photos and texts from the district archive of Freimann, which tell of Gräser’s life and work and can be supplemented with writing and rhymes by the children, teenagers, and invited artists. These in turn offer a growing archive of visual mate-rial as well as a starting point for their own stories and artistic interpretations. Alongside the basic equipment of scissors, glue, and pens, there’s a mobile trestle table, a battery-operated selfie printer, cameras, and an assortment of stamps featuring an adaption of Gusto Gräser’s beechnut font. He developed this printing font in 1930 based on the form of beechnuts, but was never able to produce it. Further elements include self-sewn long shirts that can both be used as painting shirts and be painted on. As props (creating artistic alienation effects) they cite the extremely simplified clothing of the wandering poets and Lebensreform advocates—garments resembling nightgowns that all followed the same cut, supposedly freeing the body from the sartorial constraints of the Prussian-Wilhelmine Zeitgeist.
Jonas Beutlhauser’s play sculptures, which included among other things a valve wheel, some walk-write devices, and four chickens making a guest appearance, were part of an extensive set within the “vagabond meeting” action space in 2018. His reflections on the vagabond as an artistic model influenced the collaboratively developed action space. He drew on the practice of writing while roaming with his walk-write devices—apparatuses with cranks and paper rolls that the children and teenagers could wear around their necks like a vendor’s tray, thus encouraging them to write auto-matically while walking. It is a decelerating activity, yet it requires one to perform two things simultaneously. Four chickens, and their unique way of wandering around the Postwiese, accompanied the children and teenagers while also serving as their comrades and pedagogical partners. Using a life-sized valve wheel, the Wortfeuerzeug [word lighter], which draws on some of Gräser’s unpublished writings, the children were able to respond to Gräser’s style of creating new words, by inventing their own rhymes.
The Body as a Means of Expression—
Another Aspect of Gusto Gräser’s Work,
but also a Method of Actionist Pedagogy.
“A glaucous illuminated stage. Open. Empty. Without any backdrop. A nine-tenths naked man with wild hair and beard around forty enters the stage and bids the audience to sing in a low chorus “Bumblebee! bumblebee!” He didn’t need any music, but this acoustic stage around him let him dance out a true joie de vivre. It happened. And quite beyond any dancing conventions or culture, he leaped, turned, spun and exploded in bodily enthusiasm. In the glaucous dusk of the stage, no one recognized him. He didn’t need any foreign melody, only this irregular surge of sound …”8
In her book So war`s um Neunzehnhundert: Mein Fin de siècle, this is how Annie Francé-Harrar described the bumblebee dance Gräser performed in the English Garden. In the action space, we took up the description of Gräser’s dance and collaboratively developed our own narrative about the bumblebee on stage. Together with the children and teenagers, we improvised through singing and dancing. It became a recurring playful motif that children would repeatedly cite in their own way or perform together with the adult artists and teachers, also spontaneously at the vagabond parliament.
The text fragment becomes all the more interesting when one considers that many important proponents of expressionist dance like Mary Wigman and Isodora Duncan were part of the Monte Verità artist collective. Today, the mountain can be considered the birthplace of Expressionist dance. Gräser’s thought and work should be considered in relation to this artistic context, which sought not to deny the body, but rather to free it from the atrophy and constraints of industrialization and the authoritarian Prussian state, believing instead in the “unfettered expression of the body in nature.”
Drawing on Gräser’s example, this performative appropriation treats visions of life as processes of constructing events and decisions. Performative practice offers a quick form of access that focuses on situational reference and allows processual aesthetic decisions which aren’t concerned with right or wrong, but rather encourage one to depart from more ubiquitous images of contemporary life. This requires that one conceive of artistic action as an educational form: in contrast to a neutral pedagogical site, a space of action should be created that affords for the possibility of self-expression. The renunciation of material abundance and the disavowal of industrial goods in combination with the notion of “back to nature” all seems quite artificial within an urban context, both then and now.
With Gusto Gräser, however, it has a political quality, and must be taken into account when communicating the material.
At the same time, the existing archival material must be subjected to a critical contemporary reading and its issues pointed out. It is a narrative that focuses on men as its main protagonists, while the artistic figure of the wanderer, and later the slacker, has been largely claimed as male projection surfaces. Nonetheless, as an artist and educator, I would like to claim this context and evaluate Gusto Gräser as a pedagogical alternative from a female artistic perspective.
At Herman Müller’s, I came across a reference to Gerhart Hauptmann’s Till Eugenspiegel—the tragic comedian, truth seeker, and (Über)Landfahrer. According to this account, Hauptmann visited Gusto Gräser in his cave and integrated his vision of life in the motif of Gaukelfuhren, which was also the story’s original title. Till Eugenspiegel’s adventurous journey also ends “in Tessin, in Maggiatal, below Gräser’s cave.”9 The motif of Till Eugenspiegel thus traces an interesting arc back to our artistic-pedagogical work on Gräser: Hauptmann evokes not only the aspect of the tragic comedian and jester, but also the aspect of resistance within the figure of the wandering poet.
How can new spaces of possibility and one’s own stories develop through the collective experience of narration, fictionalization, and performative reinterpretation? It is a call to wander and resist?10 “Be comic!” A call to create new performative images that adapt the narrative of the wondering poet(ess) and the jester.