

Ich weiß es noch genau! Ihr erstes Ei legten die Vagabund*innen auf dem Weg zu einem Meeting, das kurzfristig abgesagt wurde.
Ich traf sie auf einem Hof in Niederbayern, irgendwo zwischen den Künstlerateliers und dem Stall des alten Pädagogen. Gemeinsam fuhren wir zu den Kindern nach Freimann, um mit ihnen ein Treffen abzuhalten. Aber wo sollten die Vagabund*innen schlafen? Wir bauten ihnen die Hummel Allmende. Dort in dem kleinen Stall auf Rädern konnten sie, vor gierigen Greifvögeln sicher, auf ihren Stangen ruhen.
Ihren Namen bekamen sie von dem französischen „vagabond“. Dieses stammt vom spätlateinischen „vagabundus“, was so viel wie „umherschweifend; unstet“ bedeutet. Es zeichnete sie eben aus, dass sie vage (lat. vagus) blieben, sich auf kein Grammatik festnageln ließen. Keiner wusste wer sie eigentlich waren, wo sie wohnten und was sie hier suchten. Aber wir kümmerten uns nicht viel darum. Manchmal wenn wir uns in eine Sache vertieft hatten, vergaßen wir komplett, dass sie überhaupt da waren. Die Vagabund*innen streiften (lat. Vagari) eben gerne hin- und her. Mal sind sie weg, um dann wieder so unerwartet aufzutauchen, wie sie verschwunden waren. Wir hatten uns daran gewöhnt.


Wenn sie an unseren Spieltischen vorbeikamen bewunderten wir sie für ihre Zickzack-Linien, für ihren speziellen Reptilien-Gang, ihre Art suchend zwischen verschiedenen Orten zu pendeln. Wie brachten sie diesen Balance-Akt fertig? Sie sind keine Vögel und keine Reptilien. Tagsüber scharren sie gemächlich in der Erde nach Würmern, nachts flattern sie in die Luft, stecken die Schnäbel ins Gefieder und verbringen die ganze Nacht ohne Schwindel auf einer Stange. Dabei ist ihr Seiltanz weder künstlerisch, geschweige denn pädagogisch wertvoll, noch könnte man behaupten, dass sie auch nur im Ansatz unproduktiv oder unerwünscht gewesen wären.
Im Gegenteil! Alle stürzten sich auf sie, als hätten sie noch nie eine Vagabund*in gesehen. Ihre Anziehungskraft ging von etwas anderem aus, das sich jenseits unserer Denkmuster befinden muss. Eines aber ist sicher. Die Vagabund*innen machten, dass wir immer wiederkehrten. Wir hatten es uns zur Aufgabe gemacht für sie zu sorgen. „Aber wer ist überhaupt dieses Wir?“, fragten sich die Vagabund*innen. Wir waren die, die fortwährend in Regalen wühlten, die Heißkleber, Nägel, Papiere, Stoffe, Werkzeuge, Liegestühle, Tische, Moosgummi u.v.m. täglich mehrmals aus den Regalen herauszogen, über die Wiese an eine bestimmte Stelle trugen, die Sachen dort drehten und wendeten, um sie später wieder zurück in die Regale des Containers zu stecken. „Wieso ist da immer so unheimlich viel drin, in so einem Wir-Container!?“, dachten die Vagabund*innen.
„Das macht schon müde, diese Arbeit am Wir“, sagst du zu mir. Und immer, wenn eine*r gähnte, sagten die anderen: „Geh doch eine Weile zu den Hühnern!“


